In den Geschichten der Waltroper Autorin Gudrun Güth spielt Heimat eine große Rolle.
Seit den 80ern wandert die 74-Jährige in ihren Texten quer durch die Natur - durch die Waltroper Rieselfelder, zum Spurwerkturm mit Rundum-Blick über die Stadt, entlang von Kanälen, durch Industrie und Gesellschaft und ihre ganz persönlichen Gefühle. Frei gelassene Gedanken und Erlebnisse, ein Wort, ein Satz eine kurze Bobachtung oder ein bestimmtes Thema münden in ihren Geschichten, ihrer Lyrik und Büchern für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
Ihre Enkelkinder lieben die Geschichten über ihren wilden Hund „Spike Dickus“. In dem Jugendbuch „Blindhuhn“ (Papierfresserchens MTM Verlag) schreibt sie - Tochter eines blinden Vaters - über das Gefühlschaos, das Anderssein hervorrufen kann. „Und dass Ausgrenzung manchmal auch im eigenen Denken und Verhalten passiert.“ Als Mitglied der Ruhrautor*innen ist in dem Band „Herein geflogen! Geschichten aus dem Ruhrgebiet“ (Klartext Verlag) ihr Gedicht „Auf dem Spurwerkturm“ erschienen.
Viele Auszeichnungen hat die ehemalige Lehrerin an der Waltroper Gesamtschule für ihre Werke schon erhalten, u.a. den Förderpreis Literaturpreis Ruhr. „Ich reiche meine Geschichten gerne bei Ausschreibungen ein, um sie zu teilen.“ Neben dem Schreiben machen ihr Lesungen am meisten Spaß. „Vor Kindern liebe ich es, eine andere Rolle einzunehmen als früher als Lehrerin. Hier muss ich nichts benoten.“
Aufarbeitung
Erst Ende Oktober hat die Waltroperin in der VHS aus ihrer Erzählung für Erwachsene „Irrlichtern“ (Herzsprung Verlag) gelesen. Darin verarbeitet sie ihre Erlebnisse als Verschickungskind. Der Verlust von Heimat ist ein tiefes Gefühl, an das sie sich noch gut erinnert. „Ich kam als Vierjährige aus einer liebevollen Familie in die kaltherzige Umgebung eines Kinderkurheims mit harten Methoden und schwarzer Pädagogik“. Das erzwungene Essen von Erbrochenem, unsinnige Medikamenteneinnahme, die strikte Trennung von Geschwistern sind Erlebnisse, von denen nach Lesungen zu ihrer Verwunderung auch Gäste zu berichten wussten. „Ich dachte immer, ich wäre allein damit.“
Seit Erscheinen der „Irrlichtern“ in diesem Sommer ist sie in einer Schreibpause. „Die Beschäftigung mit dem Tatort Kinderkurheim war sehr kraftanstrengend und emotional belastend.“ In dem Roman begegnet Clara nach dem Tod ihrer Mutter im Zug per Zufall einem verdrängten Kindheitstrauma und zieht genau an den Ort am Meer, an dem sie damals so leidvolle Erfahrungen machen musste. „Ich bin froh, dass ich es geschrieben habe. So kann ich mich jetzt hoffentlich von dem Thema lösen.“